Das bin ich…
Melanie Perings, 45 Jahre jung, glücklich verheiratet, Diplom-Kauffrau (FH) und Psychologin (M. Sc.), im wunderschönen Bremen geboren und aufgewachsen und nun seit einigen Jahren in Trier.
Diagnose Multiple Sklerose (MS) seit 2007!
Im Rollstuhl seit April 2013!
Grad der Behinderung 100,
Merkzeichen G, aG, H und B
und trotzdem fröhlich!
MS ist SCHEIßE!
Aber nicht das Ende der Welt!
Ich liebe das Leben!
Es gibt so viel Schönes zu entdecken!
Auf der Suche nach Mobilität und Selbstbestimmung!
Das Leben im Rollstuhl mit Multipler Sklerose ist nicht einfach. Es ist häufig sehr frustrierend, demütigend und vor allem extrem anstrengend. Hinzu kommt die Ungewissheit, was die Zukunft bringt. Wird sich mein Zustand weiter verschlechtern? Werde ich ein Pflegefall?…
Sobald neue Symptome auftreten, kommt Panik auf. Ist das ein neuer Schub, schleichende Verschlechterung oder geht das wieder weg?
Dennoch, ich bin guter Dinge und meistens fröhlich! Trotz massiver Einschränkungen möchte ich mein Leben genießen, selbstständig im Rahmen meiner Möglichkeiten sein, aktiv am sozialen Leben teilhaben und ein Vorbild für andere Menschen sein!
Ich war schon immer sehr selbstständig. Hilfe habe ich nie gerne angenommen, auch wenn ich selbst gerne für andere da war und es auch heute noch, soweit möglich, bin.
Ich war ehrgeizig und verfolgte zielstrebig meine Träume. Nach dem Abitur verbrachte ich fast anderthalb Jahre als Au-pair in Amerika. Anschließend studierte ich Wirtschaft mit den Schwerpunkten Marketing und Personalwesen und übernahm danach eine leitende Position als Marketingleiterin und Pressesprecherin in einem bundesweit tätigen Franchiseunternehmen.
Im Winter 2006 tauchten bei mir die ersten MS-Symptome auf. Es begann mit einem leichten Taubheitsgefühl in einer der beiden kleinen Fingerkuppen. An welche, kann ich mich nicht mehr erinnern. Ist auch egal, da kurz darauf der kleine Finger an der anderen Hand hinzu kam. Es folgten die anderen Fingerspitzen. Ich rannte von Arzt zu Arzt und keiner konnte etwas feststellen. Im April 2007 wurde ich dann per Notaufnahme ins Krankenhaus eingewiesen und es wurden diverse Untersuchungen gemacht. Es wurde der Verdacht auf MS geäußert, welcher durch erneute Untersuchungen ein halbes Jahr später manifestiert wurde. Es ist kein schönes Gefühl, wenn man beim Arzt sitzt, dieser einen nicht mal anschaut, nur in seinen Blättern kramt und nebenbei bemerkt: „ Ja, dann ist es wohl so, sie haben MS!“ Ich stand dann ziemlich alleine da und das tue ich noch heute. Die ärztliche Unterstützung ist meines Erachtens sehr schlecht. Man erhält Rezepte für Medikamente mit krassen Nebenwirkungen, die die Behinderung langsamer fortschreiten lassen sollen. Heilung gibt es derzeitig nicht!
Als ich im Jahr 2007 die Diagnose MS erhielt, war ich trotzdem guter Dinge. Ich bin ein positiver, fröhlicher und ehrgeiziger Mensch. Ich sah die Erkrankung als Chance für einen Neubeginn. Aus diesem Grund, auch auf Anraten meiner Ärzte, kündigte ich 2008 meinen stressigen Job und machte ein viermonatiges, unbezahltes Praktikum in einer Klinik für Suchtkranke. Das Praktikum hat mir sehr gut gefallen, so dass ich noch im selben Jahr mit dem Studium der Psychologie in Trier anfing. Das Psychologie-Studium war schon lange ein großer Traum von mir. Ich wollte sehr gerne Psychotherapeutin werden, habe den Schritt aber nie gewagt, da ich dachte, dass mich das Leid anderer Menschen zu sehr belasten würde. Ich bin ein sehr empathischer Mensch und sehe in dem Beruf Psychotherapeutin meine Berufung. Mittlerweile habe ich das Psychologie-Studium erfolgreich abgeschlossen. Ob ich jedoch tatsächlich noch die anstrengende Psychotherapeutenausbildung machen werde, weiß ich derzeitig noch nicht. Die Ausbildung ist für gesunde Menschen schon sehr anstrengend und belastend. Sowohl für die Ausbildung zur Psychotherapeutin oder auch nur, um am sozialen Leben teilhaben zu können, benötige ich ein behindertengerechtes Kfz.
Vielleicht naiv, aber irgendwie habe ich die Hoffnung und Zuversicht, dass mein gesundheitlicher Zustand noch einmal etwas besser werden wird. Ich warte natürlich nicht auf ein Wunder, aber ich versuche mich gesund zu ernähren, lebe seit fast zehn Jahren vegan (rein pflanzlich) mit der Ausnahme Fisch (wegen der guten Fette), außerdem versuche ich in Bewegung zu bleiben und so lange es nur geht selbstständig zu sein. Die vegane Ernährungsform hat bei MS-Kranken sehr gute Wirkungen in Langzeitstudien gezeigt, auch wenn viele Ärzte einem dies nicht erzählen.
Abhängig zu sein ist ganz schlimm für mich. Deshalb habe ich auch lange Zeit meine Diagnose verschwiegen. Ich wollte und will kein Mitleid! Es fällt mir sehr schwer, meine Erkrankung öffentlich zu machen und um Spenden zu bitten. Aber welcher „normale“ Mensch kann sich schon ein Auto für ca. € 80.000-100.000 leisten? Soviel kostet ein behindertengerechtes Auto mit Kassettenlift und Handgas. Ein gesunder, gehender Mensch bekommt für den Preis einen Sportwagen. Ich habe dann lediglich einen Van, z. B. einen T5, einen fast leer geräumten Kasten (die zweite Sitzreihe muss komplett ausgebaut werden), in den ich über einen Kassettenlift reinfahren kann, mich über eine Transferkonsole auf den Fahrersitz umsetze und das Auto per Handgas fahre. Ein Auto, mit dem ich selbstständig, alleine fahren kann, ein Stück Selbstbestimmung, Freiheit, die mir mein Leben etwas erleichtert und mir die Teilhabe am sozialen Leben ermöglicht. Wer möchte schon mindestens zwei bis drei Tage im Voraus planen, wo man hin möchte, um einen Behindertenfahrdienst zu organisieren? Bei weiteren Fahrten sogar mindestens eine Woche vorher. Hinzu kommt meine nicht vorhersehbare körperliche Verfassung. Ich weiß nie, was der nächste Tag bringt, ob ich starke Schmerzen und/oder Spastiken habe, schwach und erschöpft bin, ob ich überhaupt in der Lage bin, irgendwo hin zu fahren. Ich muss spontan entscheiden können, heute geht es mir gut, heute mache ich dies oder das, treffe mich mit Freunden. Ich möchte doch nur ganz normale Dinge tun, Freunde treffen, Familie in Norddeutschland besuchen, mal eben schnell Lebensmittel einkaufen fahren, zum Arzt … Spontanität ist mit einem Behindertenfahrdienst überhaupt nicht gegeben. Momentan fühle ich mich sehr isoliert. Aktivitäten beschränken sich auf das Wochenende, wenn mein Mann zuhause ist und mit mir irgendwo hinfahren kann. Auch er verdient mal eine Auszeit, Zeit für sich. Er ist doch nicht mein persönliches Taxiunternehmen, auch wenn er dies gerne macht. Ich möchte mein Leben selbstbestimmt und aktiv gestalten. Sollte man dies nicht fördern?